Im Oktober 2020 mussten wir uns als Schule einen würdigen Ersatz für die ausfallenden Schülerpraktika überlegen. Das praktische Arbeiten ist in der Berufsorientierung ein wichtiger Ansatz und bietet den Schülern und Schülerinnen eine willkommene Abwechslung zum Lernalltag. So entwickelte sich, beginnend bei der Idee, praktische Lerninhalte umzusetzen, das umfangreiche Konzept der Genussmanufaktur. Jeden Donnerstag sammelten sich die Schüler und Schülerinnen aus den Klassenstufen 7 und 8 zur Herstellung von Produkten zum Thema Genuss. Es wurden 4 Abteilungen gegründet. Ein Team widmete sich in der Küche der Herstellung von Marmeladen, Plätzchen, Knusperpralinen, Speckfett und Kräutersalz. Für die ansprechende Verpackung waren das Team Holz und das Team Textil zuständig. Dort sollten Holzkisten und Stofftaschen entstehen. Unsere Abteilung Marketing und Design sollte sich um ein Logo, Etiketten und die zukünftige Vermarktung kümmern. Um Mitarbeiter für diese Abteilungen gewinnen zu können, wurde eine fiktive Stellenanzeige formuliert und die Klasse 8 durchlief mit schriftlichen Bewerbungen und einem Vorstellungsgespräch mit Eignungstests das Bewerbungsverfahren. Die Klassenstufe 7 durfte sich mit einer kurzen Begründung für eine Abteilung entscheiden. Die Bewerbungsgespräche in Klasse 8 vor der 4- köpfigen Jury mit Klassen- und Fachlehrern, der Schulleitung und der Praxisberaterin waren ein echtes Erlebnis. Es war schön zu sehen, wie ernst die meisten Schüler und Schülerinnen diese Chance genommen haben und sich innerlich und äußerlich auf diese Situation vorbereiteten. Schon die Bewerbungsmappen mit Arbeitsproben begeisterten das Team der Berufsorientierung.

Natürlich brauchten wir in den verschiedenen Abteilungen auch Führungskapazitäten, die zusätzliche Aufgaben übernehmen. So entstand eine richtige Unternehmensstruktur. Gehaltsverhandlungen und Mitarbeiterversammlungen wurden durchgeführt.

In der Produktion war die Einhaltung der Hygienevorschriften eine besondere Herausforderung, die wir meistern konnten. Mit Maske, Handschuhen und Abstand untereinander ging es fröhlich ans Produzieren. Durchs Schulhaus zogen appetitanregende Düfte und überall war die freudig aufgeregte Stimmung zu spüren. Aber wir wussten auch, dass uns nicht viel Zeit bis Weihnachten bleibt und wir klare Ziele hatten. Jeder Mitarbeiter der Genussmanufaktur sollte vor den Weihnachtsferien ein Genussdreierlei in den Händen halten. Dann kam die Schulschließung und unser Ziel war nicht mehr zu erreichen. Obwohl sich einige Schüler freiwillig für Überstunden entschieden, um so viel wie möglich zu schaffen. Letztendlich konnte jeder 2 Produkte als Weihnachtsgeschenk für seine Lieben mitnehmen.

Unsere nächste Große Hoffnung war das Ostergeschäft. Es entstanden im Homeschooling tolle Produktideen für ein Ostergenusspaket. Aber wir müssen weiter geduldig sein und hoffen, dass wir bald wieder in die Produktion starten können. Da wir dieses Projekt noch nicht als sich selbstfinanzierende Schülerfirma betreiben, sind wir bei der Beschaffung von Rohstoffen auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Wir möchten auch zukünftig unsere Schüler mit diesem Projekt auf die berufliche Zukunft vorzubereiten und alltagspraktische Fähigkeiten vermitteln. Das ernsthafte Üben von Bewerbungsverfahren bereitet die Schüler und Schülerinnen zu dem auf einen unausweichlichen Schritt des Arbeitslebens vor. Die Erfahrung unter (mäßigem) Druck, im Team gemeinsam an einer größeren Sache zu arbeiten, unter den Aspekten Nachhaltigkeit und Materialökonomie neue Produkte herzustellen und ansprechend zu gestalten wird den Schülern und Schülerinnen in Erinnerung bleiben. Dem beteiligten Schulpersonal auf jeden Fall.

Die Schüler und Schülerinnen haben sich kreativ und engagiert eingebracht und dabei Tolles geleistet. Mein besonderer Dank geht an die Lehrer, die uns so tatkräftig unterstützten und über den Tellerrand des Unterrichts hinaussahen – Danke Herr Kemter unser besonders engagierter Mitinitiator, Danke Frau Fankhänel und Her Kundisch! Danke an Frau Kühn und Herrn Wünsch – Ihr habt das Projekt offenherzig begleitet und uns Spielraum und Raum zur Verwirklichung gegeben und uns ermuntert, diese aufwendige Idee trotz schwieriger Umstände umzusetzen. Nicht zuletzt geht ein Danke an den Förderverein, der uns finanziell unter die Arme griff.

Ich hoffe, dass wir bald wieder die Schule mit Leben und Produktivität füllen können.

 

Anja Seiler, Praxisberaterin an der Europäischen Oberschule Hartmannsdorf mit Berufsorientierung